Western trifft Klassik

Western-Reiter gondeln nur am langen Zügel durch die Gegend und Klassisch-Reiter zerren ihren Pferden permanent im Maul herum - so die landläufigen Vorurteile der Anhänger der verschiedenen Reitweisen übereinander. Doch was sind wirklich die grundlegenden Unterschiede zwischen klassischer Reitweise und Western- Reitweise und wo liegen Gemeinsamkeiten? Das Ziel ist überall das gleiche: Im Einklang mit dem Pferd und mit möglichst unsichtbaren Hilfen zu reiten. In der Art dieses Ziel zu erreichen, unterscheiden sich aber Klassisch-Reiter von den Western-Reitern. Wir freuen uns auch über Ihre Kommentare in der Community!


Die klassische Reitweise hat sich aus der militärischen Reitweise entwickelt. Die Ausbildung- und Prüfungsordnung der FN ist angelehnt an die alte Heeres-Dienst-Vorschrift von 1871 (HDV). Doch seitdem hat sich im Reitsport natürlich einiges getan. Die Verbände und Organisationen haben die Richtlinien "Reiten und Fahren" immer wieder in ihrer Sprache und Bildern überarbeitet. Inhaltlich hat sich aber nicht sehr viel verändert, da schon zur Zeit der HDV erkannt wurde, wie ein Pferd "funktioniert". Das Pferd hat sich in seiner Muskulatur und in seinem Knochenaufbau nicht wesentlich verändert. Das Wohl des Pferdes steht damals wie heute an erster Stelle. Ob das nun von allen Ausbildern und Reitern korrekt angewandt wird, egal ob bei der Klassischen-, Western-, Island-Reitweise oder was es sonst noch gibt, bleibt zu diskutieren.

Das Westernreiten hat einen anderen Ursprung, es ist aus der Gebrauchsreiterei entstanden. Bei den Westernreitern geht es vor allem darum, auch bei tagelanger Arbeit bequem zu sitzen und bei schnellen Wendungen sicher im Sattel zu bleiben. Deshalb hat der typische Westernsattel im Vergleich zum englischen eine deutlich breitere Sitzfläche mit einem hohen hinteren Rand und ein Sattelhorn. Die Steigbügel werden länger getragen und die Zügel hält der Westernreiter in einer Hand, natürlich um mit der freien Hand das Lasso zu schwingen oder das Weidetor zu öffnen. Sehr auffällig sind auch die Unterschiede in der Bekleidung - auf der einen Seite hohe schmale Reitstiefel, enge Reithosen, Jacke oder Jackett und ein Reithelm - auf der anderen Seite Cowboystiefel, Lederhosen und Cowboyhut.
Beide Reitweisen streben den Gang in der Versammlung an, aber der Weg dahin scheint tatsächlich für den Betrachter eher unterschiedlich zu sein.
Aus der Ecke der Westernreiter wird häufig darauf hingewiesen, dass bei den Klassischreitern die Hilfen permanent gegeben werden und ein ständiger Kontakt zum Pferdemaul besteht. Das wirkt wohl von außen tatsächlich so, da das Bein immer leicht an das Pferd kommt. Das Pferd soll sich aber von allein in einem Grundtempo bewegen und die Hilfen sollen nur dazu dienen, das Pferd auch an den Hilfen zu halten. Die Verbindung zum Pferdemaul sollte in der klassischen Reitweise leicht und federnd sein. Das Pferd soll das Gebiss suchen, Voraussetzung hierfür ist aber ein schwingender Pferderücken und eine aktive Hinterhand. Soviel zur Theorie, hier stellt sich dann die Frage: Ist das tatsächlich überall so?

Landläufig hat sich wohl die Meinung in der Westernreiterei breit gemacht, dass bei den Englischreitern ein guter Reiter seinem Pferd jeden Schritt vorgibt. Das funktioniert so wohl eher nicht. Ein guter Reiter achtet darauf, dass sein Pferd an den Hilfen bleibt und gibt bei Bedarf Paraden. Wenn der Reiter tatsächlich jeden Schritt vorgeben würde, wäre es eher nicht möglich, Lektionen wie Traversalen, Renvers, Fliegende Wechsel und Ähnliches zu reiten. Dies alles setzt aber eine korrekte Ausbildung des Pferdes und des Reiters voraus.
Bei den Westernreitern sieht es hingegen so aus, dass hier immer nur Impulse gegeben werden. Sobald das Pferd auf die Hilfen reagiert, lassen diese nach. Das Tier behält, bei guter Ausbildung, das Vorgegebene ohne weitere Einwirkung des Reiters bei, bis das nächste Signal kommt.
Bedeutet das nun, dass ein klassisch gerittenes Pferd arbeitet, weil die Hilfen nicht nachlassen, oder weil der Reiter sein Pferd bei Bedarf jederzeit mit den Hilfen unterstützt und das Pferd diesen dann folgt? Eine interessante Frage. Das Westernpferd arbeitet für ein Nachlassen der Hilfen. Dieser Gegensatz macht es wahrscheinlich so schwer, problemlos von der einen auf die andere Reitweise umzusteigen.
Wie ist das nun tatsächlich, gondeln die Westernreiter immer am langen Zügel durch die Gegend und zerren die Klassischreiter ihren Pferden permanent im Maul?
Das Pferde-Welt-team hofft auf eine kontroverse Diskussion im Forum.

Fotos: Pferde-Welt.Info
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