Eisen: Als Problemlöser nicht geeignet?
Die Stute Lava ist erst sechs Jahre alt und von bestem Hannoveraner Stamm. Dreijährig fand sie nach der Stutenleistungsprüfung eine neue Besitzerin, die nicht lange Freude an dem Pferd hatte: Lava stand stocklahm auf der Stallgasse und wurde vom Tierarzt nach dem Röntgen mit der Diagnose "Schale - Pferd ist unbrauchbar" verurteilt. (Schale ist eine dauerhafte Entzündung der Gelenke, meist ausgelöst durch eine Knorpelabnutzung der Zehengelenke, entstanden durch Überanstrengung und/oder Fehlstellung der Extremitäten und falschem Beschlag.)
Eisen waren keine Lösung. Die Trachten schoben sich unter, das Horn wurde schlechter und an der Hufkapsel war deutlich zu erkennen, dass Lavas Stoffwechsel Probleme machte.
Lava lebt heute schmerzfrei und absolut reitbar auf einem Reha-Hof in Niedersachsen. Ohne Eisen. Ihre Hufe werden physiologisch bearbeitet, um die Stellungsfehler, die den Beitrag zur Diagnose Schale geleistet haben, zu verbessern, und damit ist die Prognose gut, dass die Stute noch ein langes Leben genießen kann. Lava läuft und springt sogar ohne Probleme. Warum das nur ohne Eisen geht, soll dieser Artikel erklären, denn der Heilungsprozess ist kein Wunder.
Absolutes Muss für ein gesundes Pferd ist nicht allein die Umstellung der Hufe, sondern auch optimale Fütterung und entsprechende Haltung für Pferde. Christoph Gehrmann, Hufklinik Eifel, sagt dazu: "Der Wunsch, eine artgerechte Pferdehaltung einzurichten, hängt nicht allein vom großen Terrain ab, sondern vielmehr davon, wie ausgeklügelt das vorhandene Terrain ist". Die Bewegung ist für das Fernwanderwild der Schlüssel zur Gesundheit. Das Herz ist klein im Verhältnis zum Körper, deshalb wird das Blut durch die vier Hufe gepumpt: Jeder Schritt bewegt pro Huf ein Schnapsglas Flüssigkeit! Aber eben nur über die Bewegung und den entsprechenden Hufmechanismus, der nicht durch Eisen unterdrückt werden darf.
Der Fähigkeit, die Hufe elastisch zu dehnen und den Druck vom Körper möglichst gut zu verteilen, kommt dabei große Bedeutung zu. Gesundes Horn, ein starker Tragrand und der Strahl als Stoßdämpfer leisten den Beitrag, den Huf von unten zu schützen und auf jedem Geläuf gehen zu können. Voraussetzung dafür ist wiederum Training auf den entsprechenden Böden, am besten ist der Auslauf diesen Untergrund angepasst. Pferde, die nur Weidegang haben, können das nicht leisten. Boxenpferde erst recht nicht.
Das Argument "Mein Pferd kann ohne Eisen aber nicht laufen" ist nur in einem Punkt richtig: Wenn es Eisen hatte, ziehen sich die Nerven und Blutbahnen aus dem Huf zurück, das Gewebe ist wenig durchblutet und der Huf fällt als Tastorgan aus. "Das ist ähnlich wie eingeschlafene Füße", argumentiert Dr.Hiltrud Strasser, die als Tierärztin mit einem Studium der Huforthopädie ihr Leben der Forschung dieses Phänomens gewidmet hat. Stolpern und unsicherer Gang sind nur Symptome, die zeigen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Kommt das Leben nach Abnahme der Eisen zurück, wird das Pferd natürlich zuerst fühlig laufen. Der Heilungsprozess braucht eben seine Zeit! Pferdebesitzer müssen mit drei, sechs oder zwölf Monaten rechnen, bis ihr Pferd wieder voll einsetzbar ist, das ist die Zeit, bis sich das Horn der Hufkapsel erholt hat und komplett herunter wächst.
Im Vergleich zur Unbrauchbarkeit des Pferdes, zu Schmerzen und Leid, ist dieser Zeitraum jedoch zumutbar, sogar die einzige Lösung. Allerdings muss der Pferdehalter damit rechnen, dass der Heilungsprozess nicht ganz ohne Sorgen verläuft. Geschwüre, die aus der Hornkapsel hinaus wollen, werden nicht vom Laufen mit Barhuf verursacht. Das Laufen auf kranken Hufen mit falscher Stellung ist verantwortlich, die Hufnägel sind vermutlich schuld am Zugang für Bakterien und Viren, für Entzündungen. Besonders schlimm wirken sich Stellungsfehler auf die Blutzufuhr aus: Die Adern und Venen des Strahlbeins knicken ab, verminderte Durchblutung verhindert die Ausleitung von Stoffen, die einem gesunden Organismus abträglich ist. So wirken sich Hufprobleme auf den gesamten Organismus aus, auf den Stoffwechsel und die Leistungsfähigkeit.
Die Misere, die zur Spaltung der Hufbearbeitung in Schmiedehandwerk und Barhufe geführt hat, ist leicht zu erklären: Fast alle Lehrbücher und Lehrtafeln, auch bei der FN, beziehen sich auf Abbildungen von kranken Hufen (Zitat Dr. Strasser)! Das Bild einer Fehlstellung setzt sich in den Köpfen von Studenten, Tierärzten und Pferdehaltern als Normalbild fest. Fotos von gesunden Hufen mit bodenparallelem Hufbein sind selten. Dazu sind die Zucht, Aufzucht und das Anreiten von Pferden auf einem Weg, der Krankheiten am Bewegungsapparat den Boden bereitet. Wie bei Lava: Zu früh, zu viel, mit Eisen. Wie viele Pferden sehen während der Aufzucht den Hufbearbeiter nur alle sechs Monate?
Diese Dinge genau zu erklären, sprengt den Rahmen für einen einzigen Artikel. Es gibt inzwischen Hufkurse und Seminare, in denen ausführliches Wissen über die Hufe, die Haltung und die Fütterung vermittelt werden. Vier Organisationen kümmern sich in dem Bereich der alternativen Hufbearbeitung um Aufklärung: Die Hufklinik Eifel (C. Gehrmann nach Dr. Strasser/Hufklinik Tübingen*) mit dem Verband der Hufheilpraktiker (VdHP), die BESW Hufakademie (Alexander Wurthmann), die GdHK (Gesellschaft der Huf- und Klauenpfleger/Boris Eberhard) und die Zweige, die sich aus dem Bereich Biernat entwickelt haben (z.B. Deutsche Huforthopädische Gesellschaft = DHG). Im Kampf gegen das drohende Berufsverbot und das inzwischen vom Verfassungsgericht gekippte Gesetz zur Regelung des Hufbeschlags haben diese Organisationen inzwischen an einen Tisch gefunden und den größtmöglichen, gemeinsamen Nenner ihrer Arbeit ermittelt.
* Lektüre: Dr. Hiltrud Strasser / "Was spricht eigentlich gegen Hufbeschlag?"
Foto 1: Ernst Rose, Foto 2: BobbyM, beide Pixelio