Lymphdrainage für Pferde
Die Lymphdrainage entstammt der Humanmedizin und ist eine spezielle Form der Massage, die sowohl bei Ödembildungen als auch in der Schmerztherapie zur Anwendung kommt. Die Übertragung dieser Therapieform auf das Pferd geht auf Prof. Dr. Dirk Berens von Rautenfeld zurück, der in den 80er Jahren erkannte, dass Pferde aufgrund ihrer vergleichsweise schwachen Lymphgefäßwandpumpe in besonderem Maße zur Lymphödembildung neigen. Eine Behandlung mit Manuellen Lymphdrainagen ist bei Pferden sogar noch effektiver als beim Menschen, da Pferde gerade an ihren Extremitäten, an denen es besonders oft zu Schwellungen und Verdickungen kommt, weit weniger Unterhautfettgewebe besitzen und so nicht nur oberflächliche, sondern auch tiefer liegende Lymphgefäße stimuliert werden können.
Als besonders erfolgreich hat sich eine Therapie mit Manuellen Lymphdrainagen (ML) vor allem bei chronischer (nicht bei akuter!) Phlegmone, also den bekannten "angelaufenen Beinen", bei posttraumatischen oder postoperativen Schwellungen sowie Verdickungen im Bereich der Sehnenscheiden oder Gelenke (Gallen) erwiesen. Erforscht wird derzeit außerdem eine Beteiligung des Lymphsystems bei diversen anderen Krankheitsbildern wie Hufrehe oder Kreuzverschlag. Vor einer Behandlung, die selbstverständlich nur von qualifizierten Lymphdrainage-Therapeuten durchgeführt werden sollte, muss allerdings immer ein Tierarzt zu Rate gezogen werden, um andere Ursachen und Krankheitsbilder von vornherein auszuschließen. Außerdem darf man nicht während akuter Entzündungen behandeln, da ansonsten die Gefahr besteht, Toxine durch die Lymphknoten zu massieren, was eine akute Blutvergiftung zur Folge haben könnte. Auch bei anderen Vorzeichen, wie einer bekannten Herzinsuffizienz oder einer Krebsdiagnose, muss eine solche Therapieform immer mit dem Tierarzt abgesprochen werden.
Während einer Behandlung, die oftmals im Rahmen einer komplexen physikalischen Entstauungstherapie mit Kompressen und Bandagen durchgeführt wird, wird durch präzise Griffe das Lymphgefäßsystem des Pferdes angeregt, sodass Schadstoffe und andere Ablagerungen wie Eiweiß oder Fibrin besser abtransportiert werden können. Außerdem wird das lymphatische System durch eine Manuelle Lymphdrainage mit Nährstoffen zur Anregung des Zellstoffwechsels versorgt, was auch gesunden Pferden, zum Beispiel in intensiven Trainingsphasen, zugute kommen kann.
Auch in der Prävention von Lymphödemen kann die ML einiges bewirken, wobei jeder Pferdehalter in der Pflicht steht, einige wichtige Regeln zu beachten. Schuld an angelaufenen Beinen ist in den allermeisten Fällen unregelmäßige und unzureichende Bewegung des Pferdes - ein heute leider nur allzu typisches Problem, welches sich fast immer negativ auf die physische und psychische Pferdegesundheit auswirkt. In der freien Natur regelt der angeborene Bewegungsdrang des Pferdes einen ausreichenden Lymphabfluss. Bei Stallpferden kann dies meist nur durch mehrere, über den Tag verteilte Bewegungseinheiten nachgeholt werden.
Doch neben ausreichender Bewegung gibt es auch noch andere Möglichkeiten, das Lymphsystem seines Pferdes in Schwung zu bringen. Eine Forschungsgruppe des Hermann-Baum-Seminars der Medizinischen Hochschule Hannover entwickelte eine spezielle Putztechnik, die durch die Anregung des Lymphabflusses zur Eliminierung von Schadstoffen und zur vermehrten Abgabe von Abwehrzellen (Lymphozyten) beiträgt. In vielen Punkten ähnelt das Equine Lymphdrainageputzen dem klassischen Putzen des Pferdes, wobei besonders auf die Reihenfolge und den Verlauf der Lymphgefäße geachtet wird. Um den Lymphabfluss anzuregen, sollte die Behandlung immer am Hals beginnen und niemals an der eventuell erkrankten Extremität. Außerdem ist eine kreisförmige Striegelführung wichtig, die jedoch behutsamer und langsamer ausgeführt wird als beim klassischen Putzen. Besonders geeignet für diese Form des Putzens sind Gummi- oder Metallstriegel, wobei der Kopf des Pferdes selbstverständlich nur mit einer weichen Bürste "bearbeitet" wird.
Ein Interview mit Prof. Dr. Berens von Rautenfeld, der zusammen mit seinem Team diese Methodik erstmals aus der Humanmedizin in die Veterinärmedizin übertrug, lesen Sie hier. Fotos: Pferde-Welt.Info