Wanderreiten in der Vulkaneifel mit „Piets Adventure Trails“
Schon bei unserer Anfahrt strahlt die Eifel in voller Schönheit. Kurz hinter Koblenz lässt sich die Weite des Hochlandes bereits erahnen. Als Teil des Rheinischen Schiefergebirges wird die Eifel im Südosten von der Mosel, im Nordosten vom Rhein und im Westen von den Ardennen begrenzt. Der "Maare Trail" führt entlang der vielen Kraterseen der Vulkaneifel.
Unser Treffpunkt ist der Kapellenhof in Manderscheid. Das Anwesen liegt recht einsam auf einer Höhe in der Nähe von Daun. Ein seltsames Gefühl beschleicht mich bei der Ankunft. "Adventure Trails" habe ich gebucht, doch was das bedeutet - keine Ahnung. Mein Ziel war, einen Kindheitstraum zu verwirklichen: Wanderreiten! Den ganzen Tag auf dem Rücken eines Pferdes durch die Natur zu gondeln, und alles, was man braucht, befindet sich in den Satteltaschen.
Ein Mann begrüßt mich mit offenherzigem Lächeln. Er ist Mitte vierzig und ziemlich beige gekleidet: kurze Hosen, ein T-Shirt mit Pferde-Motiv und auf dem Kopf eine Kappe mit der Aufschrift "Piets Adventure Trails".
Schnell bin ich den Mitreitern vorgestellt und sitze in ihrer Runde, Kaffee und Kuchen vor mir auf dem Tisch. Eine bunte Truppe, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam hat: Silvia mit der Dauerwelle und Jürgen, der Geschäftsmann; Ulla, einer Ergotherapeutin, mit ihrem Freund Dirk, einem IT- Fachmann. Neben ihm sitzt Bernhard, ein Handwerker. Die Grundschullehrerin Susanne aus Bayern ist wegen des weiten Weges ohne ihren Isländer angereist, Angelika studiert Architektur. Sie und ich sind wohl die absoluten Neulinge unter den Wanderreitern. Außerdem ist noch Emmy mit von der Partie, Piets Australian Sheppard- Hündin, die uns in den nächsten Tagen vorbildlich hüten wird.
Dann geht es an die Ausgabe der Satteltaschen. Diese werden ebenso wie Regenschutz und Wasserflasche von Piet gestellt. Auf die Frage, ob ich lieber die großen oder die kleinen Taschen haben möchte, antworte ich selbstverständlich "die großen", denn ich habe ja für jeden Tag ein frisches T-Shirt eingepackt. Der Rittführer nickt und geht sie holen. Als er zurückkehrt, bin ich schockiert. Zwei Taschen, in die man noch nicht einmal ein DIN A 5- Heft packen könnte, ohne es zu knicken. Doch ein Blick auf die Gesichter der erfahrenen Wanderreiter sagt mir, dass Widerspruch unangebracht ist. Auch Angelika schlussfolgert schnell: "Da muss ich wohl noch mal aussortieren."
Als Piet langsam zu grinsen anfängt, setzt das große Gelächter ein. Wir sind auf den ersten Greenhorn- Witz reingefallen. Die soeben präsentierten Taschen sind nur ein Zusatz, den man sich an den Sattelknauf hängen kann. Zugegebenermaßen erleichtert nehme ich die richtigen Satteltaschen entgegen, stelle aber schnell fest, dass zwei T-Shirts und ein Pulli trotzdem nicht mit dürfen.
Endlich geht es zu den Pferden. Silvia und Ulla haben ihre eigenen mitgebracht, wir anderen bekommen für die fünf Tage eines von Piets erfahrenen Wanderreit- Pferden. Der Rittführer verteilt sie sorgsam nach Können, Größe und Gewicht der Reiter. Ich kriege Sundance Kid, einen Apaloosa-Paint-Mix, der mich sogleich aufmerksam inspiziert.
Als nächstes erklärt Piet die Western-Reitweise, nach der man seine Pferde händelt. Hier läuft so wenig wie möglich über Schenkeldruck, diese Tiere werden über Stimmkommandos kontrolliert. Einmal Küsschen und das Pferd läuft los, mehrmals Küsschen für Trab und ein lang gezogenes Küsschen lässt den Vierbeiner galoppieren. Mit der Zunge schnalzen ist das Kommando für Rückwärts.
Der erste Ritt führt uns ins Lieser-Tal, wo wir entlang eines kleinen Baches reiten. Die Sonne fällt durch die Bäume und lässt das Wasser glitzern. Zum ersten Mal spüre ich, dass diese fünf Tage vor allem eines bieten werden: Absolute Entspannung. Das wird auch an den Pferden deutlich. Wie in der Natur laufen sie in ihrer Herde, geben sich gegenseitig Sicherheit und gehen absolut ruhig unwegsame Pfade entlang, durchs Wasser und selbst über schmale Brücken.
Die zwei Stunden, in denen wir die Pferde und vor allem Piet uns kennen lernen sollte, sind viel zu schnell vorbei. Doch danach erwartet uns ein leckeres Abendessen auf dem Kapellenhof. Meine Bitte um lactosefreie Kost ist zwar irgendwo in Piets Organisations- Wust verloren gegangen, aber kein Problem, das wird spontan geregelt. Einmal daran erinnert, kümmert sich der Rittführer darum, so dass ich kein einziges Mal in den fünf Tagen ein Problem mit meiner Nahrungsmittel- Allergie bekomme.
Zum Essen und vor allem danach gibt es Alkohol in rauen Mengen. Zusätzlich zu Bier und Wein offeriert der Hausherr selbstgebrannte Liköre und einen Lakritz-Schnaps aus der Gegend. Um kurz vor zwölf befürchte ich, am nächsten Tag nicht aufs Pferd zu kommen, und streiche die Segel.
Am nächsten Morgen holt jeder nach einem üppigen Frühstück "sein" Pferd von der Weide, um es zu putzen und zu bepacken. Schließlich stehe ich neben Kid, meinem Gefährten, und habe das Gefühl, ich könnte mit ihm bis ans Ende der Welt reiten. Tatsächlich befindet sich alles, was ich benötige, auf dem Rücken des Wallachs. Denn, wie ich jetzt feststelle, ist das eigentlich gar nicht so viel.
Wir verlassen den Kapellenhof, um einen wunderschönen Tag zu beginnen. Piet, auf dem Rücken des großen, kräftigen Boy, reitet vorneweg. Ab und zu blickt er auf die Karte, die locker am Sattel hängt. Im Laufe des Tages lässt er auch uns an der Spitze reiten, weil er weiß, dass er sich auf seine Pferde verlassen kann. Es ist ein einzigartiges Gefühl, wenn man meint, eine Gruppe Wanderreiter zu führen. (Natürlich meint man das nur, denn Piet behält stets alles im Auge.)
Die traumhafte Natur nimmt mich völlig ein. Ich denke an nichts. Ich realisiere nur, welche Schönheit die Landschaft um mich herum zu bieten hat, und wie sicher das Pferd unter mir seinen Weg geht.
Zu Mittag machen wir Rast an einem kleinen See. Wir sitzen in der Sonne und Piet packt eine Flasche Wein aus. Verteilt auf neun bleibt nicht viel, gerade genug, um zu genießen.
Nach insgesamt fünf Stunden im Sattel erreichen wir Pützborn. Am Rande des Dorfes stellen wir die Pferde auf eine Weide und versorgen sie mit Wasser und Kraftfutter. Dann kommt Henry, eine Mischung aus Jean Pütz und Meat Loaf, mit einem Traktor angefahren, an dem ein Planwagen hängt. In diesem kutschiert er uns zu seinem Quartier, der "Alten Schmiede".
Ich lerne eine neue Wanderreiter- Regel: Wer auf dem Ritt etwas verliert - so wie Angelika im Galopp ihren Hut -, muss eine Runde ausgeben. Und wer nichts verloren hat, aber dennoch eine Runde geben möchte, dem wird dieser Wunsch selbstverständlich auch nicht abgeschlagen…
Am nächsten Tag wird klar: Wanderreiten mit Piets Adventure Trails bedeutet Flexibilität. Zwar hat der Rittführer seine Route durchorganisiert, aber wenn es abends später wird, kann es eben morgens auch mal später werden. Und wenn die Sonne und eine Wiese oder ein Maar am Nachmittag gemeinsam zum Verweilen oder sogar zu einem kleinen Nickerchen einladen, wird die Strecke zum Nachtquartier spontan abgekürzt. Stress gibt es nicht auf diesem Trail. Wir lassen uns treiben. Von der Natur, von den Pferden, von dem, wonach uns gerade der Sinn steht.
Die Maare sind deshalb so berauschend, weil sie vollkommene Natur sind. Maare kommen nur in vulkanischem Gebiet vor. Es sind rundliche, trichterförmige Vertiefungen, die durch vulkanische Gasexplosionen entstanden sind. Häufig sind sie mit Wasser gefüllt. In der Eifel gibt es 70 solcher Maarseen, man nennt sie auch die Augen der Eifel.
In der Abenddämmerung erreichen wir ein Stoppelfeld. Und Piet grinst. Alle anderen können diese Geste wohl deuten, denn sie nehmen bereits ihre Zügel auf. Dann das liebste Handzeichen vom Rittführer: Daumen, Zeige- und Mittelfinger schnellen in die Höhe. Tempo drei! Als würde selbst Kid dieses Symbol kennen, macht er einen Sprung. Im nächsten Moment rasen alle los. Ich halte den Wallach nicht zurück, lasse ihn einfach rennen und stimme ihn die "yippie"- Rufe der anderen ein. Im gestreckten Galopp geht es über das Feld. Am Ende verlangsamen die Pferde von selbst, auf den Gesichtern der Reiter bleibt ein seliges Grinsen.
So endet auch der zweite Tag viel zu schnell. Wir übernachten auf einer Mühle, wo man uns zuerst mit einem hervorragenden Menü versorgt. Danach machen wir ein Lagerfeuer auf dem Hof des Quartiers. Ohne viel zu reden starren wir in die prasselnden Flammen. Jetzt merke ich, dass wir eine Gemeinschaft geworden sind: Wir und die Pferde.
Am Mittag des vorletzten Tages kehren wir bei Klaus ein. Klaus ist ein rüstiger Rentner, der mit seiner Frau eine kleine Pension betreibt. Er spricht unsere männlichen Mitreiter mit "mein Honigbienchen" an und bringt ständig neue Schnapsflaschen an den Tisch. Auch diese Pause wird wieder länger als geplant. Danach geht es gemütlich weiter in Richtung Nacht- Quartier. Keiner von uns hat es eilig. Bedeutet die Ankunft in Rom doch, dass wir nur noch eine letzte Nacht vor uns haben.
Nachmittags erreichen wir den "Brubbel" in Wallenborn, einen kleinen Geysir, der alle halbe Stunde eine Wasserfontäne bis zu vier Meter in die Höhe spuckt. Während wir zusammen auf ein paar Steinen hocken, um auf das Naturschauspiel zu warten, beschleicht mich eine leise Traurigkeit. Ich will nicht nach Hause. Und eins ist klar: Der nächste Wanderritt wird bald geplant!
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Fotos: N. Buch/Pferde-Welt.Info